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Weiterhin beliebt: DER MEDICUS in Fulda

Im nunmehr dritten Jahr feierte das siebte Werk der spotlight Musicals GmbH gestern Abend seine diesjährige Premiere: DER MEDICUS nach der Literaturvorlage von Noah Gordon. Für uns der zweite Besuch der Bühnenadaption. Eine neue Chance also zu sehen, ob das Musical diesmal stärker begeistern konnte.


Das Buch gehört zu einem der beliebtesten Werke unserer Zeit. Auch der Kinofilm begeisterte die Massen, wenn gleich auch der Autor selbst von diesem nicht überzeugt war. Buch- und Filmwege fanden nicht zusammen, da die Geschichte zu komplex war. Umso skeptischer muss Noah Gordon gewesen sein, als Peter Scholz und Dennis Martin für ihre Produktionsfirma warben. Letztlich konnten Sie durch ihre grandiose Fassung des ebenfalls erfolgreichen und auch beliebt verfilmten Buches DIE PÄPSTIN ihr Können unter Beweis stellen. Scholz und Martin beschreiben die Verhandlungen "voller Wärme und positiver Energie". Der Coup gelang, obwohl auch das Musical eigene Wege im letzten Drittel geht. Eine neue Perspektive auf den Arztberuf und der Konflikt unterschiedlicher Kulturen hat den heute 91-jährigen Autor und dessen unterstützenden Sohn aber ebenso überzeugt, wie die Besucher der über 200 ausverkauften Vorstellungen in zwei Spieljahren am Schlosstheater Fulda, in denen spotlight musicals ausschließlich diesem Werk eine Bühne gaben.

Die Geschichte beginnt im 11. Jahrhundert in London, als Rob Cole im Kindesalter (Joshua Pfahls) Vater und Mutter verliert. Als Waisenjunge schließt er sich einem Bader (Daniele Nonnis) an, um von ihm dessen ausgeübten Heilberuf zu erlernen, der neben dem Einrenken von Gelenken auch das Ausnehmen der Kunden beinhaltet. Rob möchte im Erwachsenenalter (Friedrich Rau) aber mehr über Medizin wissen und Arzt werden; insbesondere um Krankheiten, die Kindern die Eltern stehlen, zu heilen. Schnell fasst er den Wunsch beim "Arzt aller Ärzte" Ibn Sina (Reinhard Brussmann) an der Madrassa im weit entfernten Isfahan, der Hauptstadt Persiens, studieren zu wollen. Dort ist die Medizin weitaus fortgeschrittener als in Europa, doch als Christ würde er wegen eines Glaubenskonfliktes an der Schule nicht angenommen werden. Als Jude verkleidet findet er sich unter seinem Decknamen "Jesse ben Benjamin" durch seine Entschlossenheit in der Lehrklasse des bekannten Arztes wieder und studiert die Medizin. In seinem Lebensverlauf wiedersetzt er sich strengen Regeln der Religionen und Mächte, um am Ende die Wissenschaft zu revolutionieren.

Die Fans - insbesondere jene, die auch das Buch verschlungen und den Kinofilm dankbar angenommen hatten - sind seit der Weltpremiere überzeugt. Es regnete Lobeshymnen, denen wir uns 2016 nicht vollends anschließen konnten. Nach den vorherigen Werken fühlte sich DER MEDICUS nicht als neues Highlight an und reihte sich für uns ins Mittelfeld der Fuldaer Produktionen. Die Messlatte ist beim verwöhnten und langjährigen Fulda-Besucher eben hoch. Nun mit etwas Abstand, im musicalradio oft ertönenden Songs des Stückes und leicht heruntergeschraubter Erwartung, gefällt DER MEDICUS deutlich besser. Manchmal muss man vielleicht einfach einen Bezug zum Werk aufbauen, der ohne Lesen des Buches vor zwei Jahren noch fehlte. Die Platzierung im Mittelfeld der spotlight musicals bleibt indes aber bestehen, da sich andere Werke durch emotionalere Figuren oder spannendere Handlungen einen noch uneinholbaren Vorsprung aufgebaut haben. Jeder Fan entscheidet das Ranking für sich anders, wodurch das Produzententeam auch jeden Besucher lobend für sich gewinnt. Es bleibt, auch wenn es vielleicht anders klingen mag, ein gelungenes Werk.

Dies ist selbstredend auch den gewohnt erstklassigen Darstellern zu verdanken, insbesondere Friedrich Rau in der Titelrolle, die viel Präsenz und Ausdauer erfordert. Rau schafft es überzeugend den Zuschauer auf seine Reise mitzunehmen und begeistert bereits seit der Weltpremiere durch seinen charismatischen Gesang. Ebenso wie Reinhard Brussmann, der als führender Arzt „Ibn Sina“ authentisch und kraftvoll aufzutreten weiß. Neu besetzt hingegen ist die Rolle des "Karim", einem Neffe des Schahs, der im Verlauf noch viel Macht erhält. Hierzu konnte Christian Schöne gewonnen werden, dem die Figur außerordentlich gut steht. Auch "Mary Cullen" wurde anderweitig besetzt und führt Judith Jandl von Wien nach Fulda. Sie wirkte zuletzt in I AM FROM AUSTRIA mit und begeisterte mit gefühlvollen Tönen. Für Spaß und Ernst sorgte Daniele Nonnis als unterhaltsamer Bader, aber auch als einschüchternder Madrassa-Verwalter "Quandrasseh". Einen Rollensprung, der dem charakterstarken Darsteller gut gelingt.

Auch wenn der Handlung eine nicht allzu kleine Portion Emotion fehlt, sind am Ende andere Bausteine umso mehr gesetzt. Einige lustige Szenen und insbesondere die auffälligen Choreographien von Kim Duddy bleiben nachhaltig in Erinnerung. Musikalisch setzt Dennis Martin seine gewohnt ohrwurmträchtige Handschrift. Dennoch hätte zur Stärke der Charaktere der ein oder andere kraftvolle Song wie "Alles nur ein Spiel" gepasst. Diese Szene bleibt wie auch schon 2016 als Highlight in Erinnerung, weil sie als kreatives Bindungsglied die Geschichte verknüpft und auch visuell Licht, Bühnenbild, Choreographie und Musik perfekt vereint.

Zusammenfassend bleibt der Eindruck der Weltpremiere bestehen: Die Aufgabe wurde gekonnt gelöst. Letztlich muss ein Werk auch zum Besucher passen und dieser sollte einem Musical auch eine zweite Chance geben. Der nicht enttäuschende Bronzeplatz ist geblieben, an Sympathie hat DER MEDICUS aber definitiv hinzugewonnen.


Fotos: Michael Eloy Werthmüller
Video: Spotlight Musicals GmbH



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