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Ganz großes Musical: Les Misérables im Kino

Ganz großes Musical: Les Misérables im Kino

Voller Vorfreude erwarten die deutschen Musicalfans den Start der Neuverfilmung des Klassikers "Les Misérables" zum 21. Februar im Kino. Nachdem der Film bereits im Dezember des letzten Jahres in den USA gestartet war, gewann er schon drei Wochen später 3 Golden Globes (u.a. "Bester Film Komödie/Musical") und ist bereits acht Mal für den Oscar und neun Mal für den BAFTA (höchster britischer Filmpreis) nominiert. Ob der Film die großen Erwartungen erfüllen kann, haben wir in einer Preview am vergangenen Dienstag in Erfahrung gebracht.


"Les Misérables" wurde 1980 erstmalig als Bühnenshow im Palais des Sports Paris vorgestellt, nachdem die Komponisten Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg 1978 begonnen hatten, den Roman von Victor Hugo zu adaptieren. Als englischsprachiges Musical feierte das Werk am 8. Oktober 1985 im Londoner Barbican Theater seine Uraufführung. Produzent Cameron Mackintosh, der auch den neuen Kinofilm produzierte, erarbeitete ab 1980 die bekannte Bühnenversion. Nach mehr als 10.000 Vorstellungen und über 60 Millionen Besuchern in 42 Ländern (bzw. 21 Sprachen), gilt "Les Misérables" als längst gespieltes Musical.

Unter der Regie von Tom Hooper ("The King's Speech") schafft es Produzent Mackintosh nun auch dem sonst mit einfachem Bühnenbild bekannten Musical eine atemberaubende und äußerst realistische Szenerie zu verleihen. Schon zu Beginn des Filmes stockt dem Zuschauer der Atem. Findet man sich 1815 im Strafgefangenenlager Toulon/Digne wieder, in dem Jean Valjean (Hugh Jackman) seine letzten Minuten als Kettensträfling absolvieren muss. Zuvor saß er dort 19 Jahre ein, weil er für seine hungernde Familie Brot gestohlen hatte. Die beeindruckende Kulisse zeigt hunderte Sträflinge bis zum Unterleib in strömenden Regen unter der Leitung von Javert (Russel Crowe) ein Schiff ins Lager ziehen.

(Nachfolgende Zeilen zeigen den Inhalt des Films. Dieser ist den meisten Musicalkennern bekannt. Möchte man sich überraschen lassen, sollte ab dem zweiten Strich weitergelesen werden.)


 

Acht Jahre später hatte sich Valjean eine neue Existenz als Fabrikbesitzer und Bürgermeister von Montreuil-sur-Mer aufgebaut, nachdem er silberne Kerzenleuchter, die ihm der Bischof von Digne (Colm Wilkinson) trotz vorhergehenden Diebstahls geschenkt hatte, veräußern konnte. Der Zufall will es, dass sein damaliger Strafaufseher Javert als neuer Polizeiinspektor in sein Dorf versetzt wird und ihn wiedererkennt. Die Fabrikarbeiterin Fantine (Anne Hathaway) wird entlassen, da sie ihr uneheliches Kind Cosette (als Kind gespielt von Isabelle Ellen) bei den Pflegeeltern Familie Thénardier (Sacha Baron Cohen, Helena Bonham Carter) gegen Bezahlung und vernachlässigt gegenüber Thénardier's eigener Tochter Éponine (als Kind gespielt von Natalya Wallace), aufwachsen lässt. Die immer steigenden Forderungen der gierigen Pflegeeltern konnte Fantine als Fabrikarbeiterin schon kaum bezahlen. Arbeitslos verkauft Sie Haare und Zähne und bietet sich Männern an. Von einem dieser angepöbelt kann sie nur durch den Einsatz von Valjean vor der Haft gerettet werden. Dieser pflegt die kranke Mutter und verspricht ihr kurz vor ihrem Tod die kleine Cosette aus der Obhut der gierigen Pflegeeltern zu befreien.

Valjean gelingt es Cosette frei zu kaufen und flüchtet mit ihr nach Paris, um dort in einem Kloster unterzutauchen. Während der Reise singt Valjean den Titel "Suddenly", der extra für diese Kinofassung geschrieben wurde. Das emotionale Lied drückt seine väterlichen Gefühle für die kleine Cosette aus.

Javert von Fantine's Befreiung und der Erkenntnis seinen Ex-Sträfling, der durch sein Untertauchen gegen die Bewährungsunterlagen verstoßen hatte, wieder erkannt zu haben, setzt zur Jagd auf Valjean an, kann diesen aber neun Jahre nicht finden. 1832 erkennt er ihn nach einer Schlägerei mit einer Straßenbande, der auch die mittlerweile verarmte Familie Thénardier mit nun auch erwachsener Tochter Éponine (Samantha Barks) angehörte, bemerkt dies aber erst, nachdem Valjean schon wieder fliehen konnte.
Cosette hat sich derweil in den politischen Aktivisten Marius (Eddie Redmayne) verliebt. Gleiches passiert auch ihrer Spielkameradin aus Kindheitstagen Éponine. Die Liebe erwidert Marius aber nur Cosette. Dennoch von ihrer eigenen Liebe angetrieben erfüllt Éponine Marius' Bitte Cosette zu finden und warnt Valjean davor, dass Javert ihm bereits wieder auf den Fersen ist.

Während sich das Volk bereits im aufständischen Krieg befindet, kann Valjean mit Cosette nach England fliehen. Éponine möchte an der Seite von Marius kämpfen, wird dabei aber angeschossen und erliegt ihren Verletzungen. Zuvor konnte sie Marius noch einen Brief von Cosette übergeben, der darauf hin eine Antwort über den tapferen, kleinen Jungen Gavroche (Daniel Huttlestone) überbringen lassen will. Dieser übergibt den Brief Valjean, der so von der Liebe seiner Tochter erfährt. Wissend, dass die Aktivisten den Krieg nicht gewinnen können, reist er alleine zurück, um Marius zu retten.

Im Aktivistenlager angekommen wurde gerade Javert als Spion innerhalb der Gruppe vom kleinen Gavroche enttarnt. Valjean möchte die Hinrichtung übernehmen und lässt Javert unentdeckt von den Aktivisten laufen und rettet den mittlerweile verletzten und bewusstlosen Marius vor dem Tod, in dem er diesen durch die Kanalisation trägt. Am Ende der Kanalisation trifft er dann auf Javert, der dort bereits auf ihn wartete. Valjean bittet darum Marius ins Krankenhaus bringen zu dürfen, anschließend würde er sich stellen. Javert droht damit ihn sofort zu erschießen. Valjean geht todesmutig weiter, wodurch Javert ihn gehen lässt und somit gegen seine eigenen Prinzipien verstößt. Von seiner Handlung erschrocken begeht Javert Selbstmord.

Valjean hatte Cosette und Marius wieder zusammengeführt und beide heiraten. Valjean aber tauchte im Kloster unter, um einer Festnahme zu entgehen. Als Marius heraus findet, wer ihn gerettet hatte, finden er und Cosette den im Sterben liegenden Valjean und stehen ihm in den letzten Minuten seines Todes bei.

Der Film endet mit der wohl spektakulärsten Szenerie, in der hunderttausende Pariser an riesigen Barrikaden eine neue Republik ausrufen. Unter ihnen sind auch die Geister der im Film Verstorbenen zu sehen.

 


 

Die Kinoversion von "Les Misérables" überzeugt mit einer genialen und musikalisch erfahrenen Besetzung. Grund genug für Regisseur Tom Hooper alle Protagonisten stets live singen zu lassen. Ein beeindruckender Schachzug, denn dieser verleiht der Geschichte die nötigen Emotionen, um das Publikum zu erreichen. Allen voran Hugh Jackman, der in eigenen Konzerten am Broadway große Erfolge feiern konnte, überzeugt dabei als Valjean auf ganzer Linie und erhielt zurecht bereits einen Golden Globe als "Bester Hauptdarsteller" für diese Leistung. Russel Crowe hingegen kommt an Jackman's gesangliche Leistung nicht heran, schafft es aber seinem Ruf als einer der besten Schauspieler seiner Generation vollends gerecht zu werden. Die Wut Valjean gegenüber lässt dem Zuschauer das Blut in den Adern gefrieren; bei seinem Selbstmord stockt dem Publikum der Atem. Als "Beste Nebendarstellerin" wurde Anne Hathaway mit einem Golden Globe für diesen Film ausgezeichnet. Völlig zurecht allein schon für Ihre unschuldigen Blicke, während die Fabrikarbeiterinnen dafür sorgen, dass Fantine ihre Arbeitsstelle verliert und sich anschließend auf der Straße wieder findet. Als hätte sie diese Blicke ihrer kleinen Film-Tochter Isabelle Ellen vererbt, schafft es die kleine Cosette auch beim Publikum alle Beschützerinstinkte zu wecken. Jeder der Anwesenden hätte das Kind mit aller Macht von den gierigen Thénardiers befreien wollen. Die Szenen "Master of the House" und "Beggars at the Feist" beweisen, dass allen Unkenrufen zum Trotz der als "Borat" bekannt gewordene Sacha Baron Cohen als Thénardier eine Idealbesetzung ist. Sein aus Filmen bekannter Dialekt schafft es die Rolle mit viel Witz und einigen Lachern zu unterstreichen. Ebenso wie Helena Bonham Carter, die den Charakter seiner Ehefrau schon 2007 ähnlich im Film zu "Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street" unterhaltsam auf die Leinwand brachte und diese Leistung auch gesanglich wiederholen konnte. Samantha Barks, die nach ihrer Drittplatzierung in einer Musical-Castingshow in England unter Anderem auch schon ihre Filmrolle der Éponine in London spielen durfte, zeigt mit herzzerreißender Stimme "On my own", während Sie im Regen Ihre Liebe zu Marius bekundet. Dieser wird gespielt von Eddie Redmayne, der zwar schon Preise für seine Theaterrollen erhielt, für "Les Misérables" nun aber extra Gesangsunterricht beim renommierten Londoner Vocalcoach Mark Meylan nahm. Eine gute Investition, wie sich im Film heraus stellte. Amanda Seyfried als erwachsene Cosette ist vielen schon als Sophie, der Tochter von Donna (Meryl Streep) im Film "Mamma Mia!" bekannt und gilt seither als eine der gefragtesten Schauspielerinnen Hollywoods. Ihre glasklare Stimme setzt ihrer Rolle der Cosette einen warmen, zerbrechlichen Charakter auf, der dieser Rolle sehr gut tut.

Regisseur Tom Hooper beweist detailtreue zum Roman und schafft es die Geschichte ohne Ungereimtheiten dem Zuschauer näher zu bringen. Javert's Wandlung beginnt im Gegensatz zum Musical etwas früher, als dieser die Leichen der Aktivisten findet und dem kleinen toten Gavroche einen Orden an die kalte Brust ansteckt. Auch wurden einzelne Lieder szenerisch versetzt. Fantine's "I dreamed a dream" findet sich daher nicht am Sterbebett von Fantine wieder, sondern bereits nachdem sie ihre Haare und Zähne verkaufte und einen Freier empfang.

Dank der stets live gesungenen Szenen und der Nähe zum Musical, kommt man durch diese Verfilmung in den Genuss eine englische Aufführung mit deutschem Untertitel in beeindruckender Kulisse zu sehen. Die wenigen Dialoge des Films, in denen nicht gesungen wurde, wurden dabei deutsch synchronisiert. Aus unserer Sicht das einzige Manko des Films, da diese meist nur ein bis zwei Sätze umfassten und auch innerhalb von Liedern nachsynchronisiert wurden. Der Wechsel von der Original- zur Synchronstimme wirkt dabei schon fast störend. Hier könnte das Publikum ohne Zweifel auf die Synchronisierung verzichten und dem Untertitel folgen. Dieser beinhaltete übrigens eine genaue Übersetzung der Titel, statt der bekannten, deutschen Liedtexte.

Schlussendlich schafft es "Les Misérables" als neue Kinofassung das Sozialdrama, das Musicalbesucher seit jeher bewegt, in einer höchst detaillierten, von spektakulären Kamerafahrten mitreißenden Art und Weise vollends zu überzeugen. Die herausragende Cast kommt gesanglich sicherlich nicht an die besten Musicaldarsteller heran, schafft es aber durch höchst perfektionistische Schauspielkunst dem Musical neue Emotionen zu verleiben und muss ohne wenn und aber als filmisches Musicalhighlight des Jahres mit großem Dank anerkannt und angesehen werden.



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